Seepferdchen

Seepferdchen (Hippocampus)
Die Seepferdchen sind die Nachfahren der berühmten Hippokampen, die in der griechischen Mythologie den Streitwagen von Poseidon, dem Gott des Meeres, gezogen haben sollen. Die geheimnisvollen Tiere faszinieren nicht nur Meeresbiologen, sie inspirieren auch Künstler und Schriftsteller seit Langem. Neben ihrem einzigartigen Erscheinungsbild zeichnen sich Seepferdchen durch eine unglaubliche Eigenschaft aus: Nicht die Weibchen, sondern die Männchen tragen den gemeinsamen Nachwuchs aus.
Wissenswertes über Seepferdchen
Mit seinen Kiemen und der Schwimmblase gehört das Seepferdchen (Hippocampus) eindeutig zu den Fischen. Sein Name stammt von dem pferdeähnlichen Aussehen mit dem gebogenen Hals und einem unverwechselbaren Rumpf. Zu den nächsten Verwandten zählen die Seenadeln. Auf der ganzen Welt gibt es vermutlich bis zu 80 Seepferdchenarten. Die genauen Zahlen schwanken, da Biologen immer wieder neue Arten entdecken. Mit einer Größe zwischen 1,5 und 35,5 Zentimetern sind Seepferdchen weltweit in flachen gemäßigten und tropischen Meeresregionen anzutreffen. Sie leben vor allem in geschützten Gewässern wie Korallenriffen, Mangroven, Flussmündungen oder Seegraswiesen. Die meisten Arten sind vor der Küste Südamerikas und Neuseelands heimisch. In Europa gibt es Seepferdchen im Mittelmeer, an der Mündung der Themse und seit einigen Jahren wieder in den Seegrasbetten der Nordsee.
Die einzigartigen Tiere haben keine Schuppen, sondern eine dünne Haut, die sich über ringförmig angeordnete, knöcherne Platten spannt. Jede Art weist eine ganz bestimmte Anzahl dieser Ringe auf. Im Gegensatz zu anderen Fischen schwimmen Seepferdchen in aufrechter Position. Die Rückenflosse dient der Vorwärtsbewegung, während die beiden Flossen rechts und links des Kopfes zur Steuerung verwendet werden. Die für Fische typische Schwanzflosse fehlt hingegen völlig. Seepferdchen sind ausgesprochen schlechte Schwimmer. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 1,5 Metern pro Stunde ist das Zwerg-Seepferdchen Hippocampus Zosterae der langsamste Fisch der Welt. Um nicht abgetrieben zu werden, krallen sich die Seepferdchen mit ihrem Greifschwanz irgendwo fest und halten nach Beute Ausschau. Wie Chamäleons können sie ihre Augen unabhängig voneinander bewegen. Mit den langen, röhrenförmigen Schnauzen saugen die Tiere blitzartig Flohkrebse, Hüpferlinge oder Schwebgarnelen auf und erzeugen dabei jedes Mal ein charakteristisches klickendes Geräusch.

Männliche Seepferdchen tragen den Nachwuchs aus, daher sind mit einer Bauchtasche ausgestattet. Foto: © Andrea Izzotti – Fotolia
Außergewöhnliche Methode der Fortpflanzung
Seepferdchen weisen eine für das Tierreich unglaubliche Eigenart auf: Nicht die Weibchen, sondern die Männchen tragen den Nachwuchs aus. Zu diesem Zweck sind männliche Seepferdchen mit einer Bauchtasche ausgestattet. Vor dem eigentlichen Geschlechtsakt balzen die Tiere zunächst für einige Tage. Meeresbiologen glauben, dass mit diesem Verhalten der Fortpflanzungszyklus aufeinander abgestimmt wird. Das Männchen ist dadurch in der Lage, die Eier sofort zu befruchten, wenn es sie empfängt. Während der Balz schwimmen die Tiere zunächst synchron mit ineinander gehakten Schwänzen nebeneinander und wechseln manchmal dabei die Farbe. Schließlich beginnt das Paar mit dem Balztanz, der etwa acht Stunden dauert. Während dieser Zeit pumpt das Männchen Meerwasser durch seine Bauchtasche. Wenn die Eier des Weibchens voll ausgereift sind, drehen die Tiere ihre Vorderseiten zueinander und steigen spiralförmig nach oben. Bei der Paarung injiziert das weibliche Seepferdchen bis zu 1.500 Eier in die männliche Bruttasche. In diesem geschützten Milieu erfolgt sofort die Befruchtung durch die Spermien des Männchens.
Die befruchteten Eier werden an der Wand der Bauchtasche fixiert und von Gewebe umwachsen. Die Tasche dient als Inkubator und versorgt die Embryonen mit Sauerstoff, Nährstoffen sowie dem Hormon Prolaktin, das bei schwangeren Säugetieren für die Milchproduktion verantwortlich ist. Das Männchen trägt die Eier für 9 bis 45 Tage aus, bis sich die Jungen vollständig entwickelt haben und schlüpfen. Während dieser Zeit besucht das Weibchen regelmäßig ihren Partner. Bei der Geburt, die in der Regel nachts erfolgt, drückt der Seepferdchenvater die Jungfische aus seiner Bauchtasche heraus. Bei den meisten Arten werden durchschnittlich 100 bis 1000 Junge geboren. Oftmals paaren sich männliche Seepferdchen erneut nach wenigen Stunden oder Tagen. Wie fast alle anderen Fischarten kümmern sich die Tiere nach der Geburt nicht mehr um ihren Nachwuchs. Viele der Jungen werden von Raubfischen gefressen oder durch Meeresströmungen abgetrieben; weniger als 0,5 Prozent erreichen das Erwachsenenalter. Das erklärt auch, warum die Würfe so groß sind. Verglichen mit anderen Fischen ist die Überlebensrate allerdings ziemlich hoch.

Foto: © Richard Carey – Fotolia
Warum sind bei Seepferdchen die männlichen und nicht die weiblichen Tiere trächtig?
In der Regel geben bei Fischen die Weibchen unbefruchtete Eier ins Wasser ab, die sofort von einem Männchen befruchtet werden. Das Heranreifen und Schlüpfen der Jungen findet bei einigen Fischarten im Bauch der Mutter statt. Diese Art der Fortpflanzung wird als ovovivipar (lebendgebährend) bezeichnet. Der Vorteil liegt auf der Hand: Durch das Heranwachsen in einer geschützten Umgebung erhöht sich die Überlebensrate der Jungfische deutlich. Da sich bei Seepferdchen der Nachwuchs in der männlichen Bauchtasche entwickelt, werden wesentlich weniger befruchtete Eier benötigt, um das Überleben der Art zu gewährleisten.
Warum das männliche Seepferdchen die Nachkommen austrägt, ist noch unbekannt. Einige Forscher vermuten, dass dadurch kürzere Geburtsintervalle möglich sind, die wiederum zu einer höheren Nachkommenschaft führen. Die Produktion der Eier ist bei Seepferdchen sehr anspruchsvoll und erfordert eine große körperliche Anstrengung. Dadurch, dass die Männchen den Nachwuchs austragen, haben die Weibchen mehr Zeit für die Entwicklung befruchtungsfähiger Eier.
Bleiben Seepferdchen ihrem Partner ein Leben lang treu?
Viele glauben, dass Seepferdchen monogam leben. Tatsächlich bleiben bei vielen Arten die Tiere während der gesamten Brutzeit zusammen. Andere Seepferdchenarten hingegen wechseln den Partner, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Eine lebenslange Paarbindung ist bei Fischen äußerst selten. Bisher wurden die genauen Paarungsgewohnheiten von Seepferdchen noch nicht wissenschaftlich untersucht. Wie lange die Treue zwischen den Partnern anhält, ist deshalb nicht bekannt.
Feinde: Das Überleben der Seepferdchen ist durch den Menschen gefährdet
Dank ihrer äußeren Knochenplatten und der ausgezeichneten Tarnung sind Seepferdchen gut vor Fressfeinden geschützt. Trotzdem schätzt die IUCN (Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen) die meisten Arten als stark gefährdet (endangered) bis gefährdet (vulnerable) ein. Vor allem die Überfischung und die Zerstörung ihrer Lebensräume reduzieren den Bestand der Tiere dramatisch. Jahr für Jahr sterben über 20 Millionen Exemplare als Beifang in den Netzen der Shrimp-Industrie oder werden als Delikatesse in asiatischen Ländern gefangen. In der traditionellen chinesischen Medizin sind Seepferdchen weit verbreitet. Getrocknet und zermalen sollen sie unter anderem bei Potenzstörungen, Kurzatmigkeit, Asthma, Schmerzen sowie Inkontinenz helfen. Obwohl der internationale Handel seit 2004 durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) verboten ist, erzielen auch heute noch getrocknete Seepferdchen auf den Märkten in Bangkok oder Hongkong einen Kilopreis von 600 bis 3000 Dollar.
Video: Seepferdchen
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